Prosa: Heidinnen

Prosa: Heidinnen

Wer in der heutigen Zeit lebt, hat's schwer. Wer Heide ist, hat's schwer. Wer sich mit Computern einläßt, hat's schwer. Wer in einem Verein ist, sowieso - aber alles zusammen ist ein bißchen viel. Außerdem ist es oft schwer, ernst zu bleiben. Dennoch will ich es hier einmal versuchen, obwohl die Geschichte, die ich erzählen will, einer gewissen Komik nicht entbehrt.

Sie beginnt wie üblich mit den Worten es war einmal ...

Es war einmal ein Recht schaffender Beamter, der wohnte mit seiner Hexe und den zwei Kindern in einem weitläufigen Haus am Rande der christlichen Zivilisation. Da er nach Jahren des Eigenbrödler-Seins von demselben genug hatte, entschloß er sich, dem sich abzeichnenden Gründungsgebaren eines heidnischen Vereines keinerlei Widerstände entgegenzusetzen. Nach gründlicher Prüfung der Satzung, des Grundgesetzes, seines Diensteides und der allgemeinen Gesetze fand er sich dann auch im Clan wieder.

So hatte er - nennen wir ihn Ciaran - also eigentlich einen sicheren Hafen erreicht und hätte ruhig und in Frieden leben können, wäre - ja, wäre da nicht in Gestalt seiner Frau ein überaus a(ttra)ktives Vorstandsmitglied gewesen. Und das in seiner Wohnung! Erschwerend kam hinzu, daß sein geliebter DOSe-Computer nunmehr für allerlei erbauliche Schreiben genutzt wurde, so daß ihm kaum Zeit für die produktive Arbeit mit dem Flugsimulator oder Tank Blaster blieb. Aber auch das verwand er nach einigem Zähneknirschen und wandte sich anderen Ereignissen zu.

Eines Tages aber, als er gedankenverloren und eine komplizierte Melodie im Kopf wälzend in den umherliegenden Schriftstücken des Clans blätterte, die zahlreich und immer zahlreicher auf den Haushalt herniedergingen, blieb sein Blick wie gebannt an einem Wort hängen: Heidinnen. Der Weiblichkeit immer schon zugeneigt, vertiefte er sich in das Schreiben. Nach einigem Hin- und Herüberlegen stand für ihn fest: hier ist Handlungsbedarf!

Allein, man soll nichts übers Knie brechen. So wandte er sich an seine Göttingattin.

"Ach, Liebes, " sprach er, "sag mir doch: findest Du es denn anstößig, einfach als Heide angeredet zu werden?"

Die beste Ehefrau von allen ( in der Rangfolge der Freundinnen hatte er sich noch nicht entschieden ) sah in verwundert an.

"Welche Rede, oh Mann, ist deinen Lippen entflohen? Ich selbsten verfasse diese Briefe, in denen der Heide vorkommt. Da sollte ich mich daran stoßen? Nie und nimmer!"

Damit wandte sie sich wieder dem Honig zu, der darauf wartete, in die Flasche zu kommen, um irgendwann als Met verwandelt im Bauch eines betrunkenen Goden zu landen. Voller Zweifel nutzte Ciaran die Gunst der Stunde, setzte sich zum unbenutzten Telefon und fragte Bekannte und Freunde zu der Sache.

So vergingen einige Tage, und danach stand Ciarans Entschluß fest: es muß gehandelt werden. Immer schon hatte er nach dem Motto gelebt: Was Du heute kannst entkorken, das verschiebe nicht auf Morken! So setzte er erst sich hin und dann seinen Plan in die Tat um. Begünstigt durch eine im Nebenzimmer stattfindende Diskussion über Oberweiten und wie man sie vorspiegelt - es war gerade der Bauchtanz-Coven zu Gast - setzte er sich an den verwaisten Computer und begann.

Seit Jahren schon hatte er auf eine Gelegenheit gewartet, seine Kenntnisse der DV-Maschinen einmal sinnbringend an die Frau zu bringen. Es ging ja auch wirklich zu weit, daß Menschen weiblichen Geschlechts als Heiden angeredet wurden! Ein sanfter Eingriff in das Lexikalische Modul, gekoppelt mit einer Umdefinition einer Subklasse, brachte schließlich den gewünschten Erfolg.

Während drüben die Frauen redeten, die Mondin durch die Fenster schien und die Tee immer neu gekocht werden mußte, besah Ciaran sich ihr Werk: Alles, was als Textin in die Computerin eingetippt wurde, wurde durch die lexikalische Analysatorin geprüft und in der gegebenen Falle in die weibliche Pedantin umgewandelt. Hinfort mit all der chauvinistischen Gerede! Sogar die Präpositionen erfaßte die Programmin. Besonders stolz war Ciaran auf ihre Unterroutine, die zu jeder maskulinen Wörtin die weibliche Förmin fand. Zufrieden lehnte sie sich zurück und ließ die Finger über die Keyboard (unverändert, da agermanische Fremdvokablin) gleiten. Wie von selbst formten sich die Buchstaben zu Ab- und -Sätzen.

Liebe Mitgliederinnen,

(hier erging sich Ciaran in Überlegungen, ob es nicht eine bessere Wörtin gebe - allein, ihr fiel nichts ein)

nachdem die Lugnasad-Feste näherrückt und die Metin meine Zimmerin mit einer feinen Düftin durchwölkt, ist es an der Zeit, (keine Programmfehlerin - die Dativ von die Zeit heißt nunmal der Zeit), daß frau sich auf die Sinnin der Feste einstellt. Meine Horoskopin sagte mir, ich brauche nur meiner Gedankin freie Läufin zu lassen, um hinter die Geheimnissin der Leben zu kommen.

Die Vorhang zu der Nebenzimmer ging auf, und ihre Gattinin erschien.

"Ach, Männin," fragte sie, "laß doch die Computerin und setzt sich zu uns an die Tischin. Spiel' uns auf der Harfin doch eine Stückin von Ni Charolan vor!"

"Neinin, " sagte Ciaranin, "ich muß meine Programmin noch auf Diskettin hämmern - sonst gibt es noch Datenverlustin, wenn die Stromin ausfällt."

"Du hast wirklich eine Sicherheitsfimmelin", seufzte die Gattinin und ging zurück zu ihren Freundinnen (ha, neuronale Netzinnen sind feinin - Femininin erkannt!) Wieder klang die Geräuschin türkischer Musik und klirrender Tellerinnen auf.

So rege ich an, daß ihr die hinten abgedruckte Textin durchlest und eure eigene Ritualin macht - mit der Gehörnten und der Göttinin, mit der Windin, der Erdin, der Wasserin und der Luft. Setzt euch einfach in die Pentagrammin und laßt die Energiin durch eure Körperin strömen. Zu unserer Treffin können wir dann unsere Ritualin austauschen.

Ciaran grübelte. Wieso reagierte die Computerin auf Göttin mit Göttinin? Etwa Perfektinbildung durch Reduplikationin? Oder eine Bugin in einer Untermodulin? Ihre Gedankinnen fingen die Rasin an. Jetzt bloß keine rekursive Unterprogrammin ...

Da wir uns an der Innin treffen wollen, schlage ich vor, daß die Vorständin eine Plätzin in Reichweitin der Gewässerin aussucht, auf der wir unsere Zeltinnin aufschlagen können. Die Kostinbeiträgin beträgt nach der ersten Überschlägin 20 DMin.

Stop, die Ganze in die Zwischenspeicherin, und an die Cursorinpositionin eingefügt.

Da wir uns an der Inninin treffen wollen, schlage ich vor, daß die Vorständinin eine Plätzinin inin Reichweitinin der Gewässerininin aussucht, auf der wir unsere Zeltinninin aufschlagen können.

Scheißin! Die Pointerin zeigt in die Nirwanin! Pointerinnen sind wie Asatruinnen: immerzu müssen sie initialisiert werdinnen! Also noch malin.

Da wir uns an der Inninininininininininininininininininini

RESETin!
Hauptspeicherin wird geprüft - Handshakin in Ordnung ...

CRTLin - ALTin- DELin !!!!
...
siep siep - gurgel gurgel - heul heul -
...
BIOS o.k. Hauptspeicher wird geprüft ...

Nur gut, dachte Ciaran, daß ich einen Sicherheitskop von dem Datei gezogen habe - zurück auf den Platterich und der Sach ist geritzt.

So kam es, daß auch heute noch in allen Schreiben des Clans nur die Heiden und nie die Heidis angesprochen werden.

Ciarans Vorliebe für Menschen weiblichen Geschlechtes tat die Geschichte übrigens keinen Abbruch. Er pfiff forthin auf Artikel und beschäftigte sich direkt mit den Personen.

So warten die Heidinnen immer noch auf die geniale Programmiererin, die sowohl alle Fallstricke der Grammatik als auch das Pendant zu Mitglied kennt und umsetzen kann - in C, natürlich, denn Pascal ist männlich ...

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann wird es langsam Zeit.

(Für die Heidenarbeit Nr. 2, 1994)